„Neues aus der Forschung und vom translationalen Weg in die klinische Versorgung“

Unter diesem Titel hielt Frau Dr. Jana Zschüntzsch Oberärztin der Neurologie von der Universitätsmedizin Göttingen ihren höchst eindrucksvollen Vortrag und startete mit der klinischen Klassifizierung der Myositiden, den idiopathisch inflammatorischen Myopathien.

Dr. J. Zschüntzsch - Fachsymposium Myositis 2018

Dazu zählen die Dermatomyositis (DM), Polymyositis (PM), Nekrotisierende Myopathie (NM), Myositis bei Anti-Synthetase-Syndrom (ASS) und Mischkollagenosen (Overlap Syndrom) und die Einschlusskörpermyositis (engl. Inclusion Body Myositis; IBM). Bei allen Myositiden, außer bei der IBM und NM, sind Frauen häufiger betroffen als Männer.

Eine Dermatomyositis manifestiert sich in zwei Altersstufen, im Alter von 5-14 Jahren oder um das 50. Lebensjahr. Typische klinische Zeichen der Dermatomyositis sind, wie der Name es bereits sagt, Hautveränderungen mit einer Entzündung (Dermatitis) und Rötungen (Erythem). Im Bereich der Hände können sogenannte „Mechaniker Hände“ oder Gottronsche Papeln auftreten.  Die Rötungen entstehen vorwiegend an Stellen mit vermehrter Sonnenexposition z.B. im Gesicht oder Dekolletee. Deswegen sollte unbedingt auf einen Sonnenschutz geachtet werden.  Der zweite Teil des Wortes Dermatomyositis steht für die Muskelsymptome, die sich als Muskelschmerzen und -schwäche äußern können. Häufig findet sich eine Erhöhung des Muskelenzyms Creatinkinase (CK)  bis auf das 10 – 50-fache. Es besteht eine Assoziation mit Kollagenosen, dann spricht man von einem Overlap Syndrom (s.u.) und mit Tumoren. Folgende Antikörper sind bei einer Dermatomyositis zu finden. Mi-2, MDA5/AntiCADM 140, NXP-2 (MJ), TIF1-γ und SAE. Der TIF1-γ ist der Antikörper, der am häufigsten mit Tumoren assoziiert ist.

Die Polymyositis wird mittlerweile als eine der seltenen Myositiden angesehen und ist oft überdiagnostiziert. Hautsymptome treten bei der PM nicht auf. Sofern diese nicht vorhanden sind, kann nach Ausschluss anderer Myositiden eine symmetrische, proximale (rumpfnahe) Parese (Lähmung, motorische Schwäche) und Dysphagien (Schluckstörungen) den Verdacht auf eine PM ergeben. Eine PM kann sowohl akut, als auch subakut beginnen und mit Schmerzen einhergehen. Die CK kann 10-50fach erhöht sein und eine Assoziation mit Tumoren ist möglich, die Antikörper sind eher unspezifisch. Sofern Myositis-spezifische oder assoziierte Antikörper gefunden werden, wird eine Reklassifizierung vorgenommen und die PM ggf. als adermatopatisch (nicht die Haut betreffende) DM oder im Zusammenhang mit Kollagenosen als Overlap Syndrom/Overlap-Myositis eingeordnet.

Die Nekrotisierende Myopathie auch immun mediierte (vermittelte) nekrotisierende Myopathie bezeichnet, betrifft Männer und Frauen im mittleren und höheren Alter gleichermaßen und kann akut oder subakut beginnen.  Zu den Hauptsymptomen gehören proximale (rumpfnahe) Paresen, aber auch Schluckstörungen. Die CK kann sogar auf das 20-50-fach erhöht sein. Histologisch finden sich untergegangene Muskelfasern (Nekrosen), aber keine entzündlichen Infiltrate. SRP und HMGCR sind die Antikörper, die bei einer NM positiv sein können. Der SRP-Antikörper kann mit einem schweren Krankheitsverlauf und einer Entzündung des Herzmuskels vergesellschaftet sein. Der HMGCR-Antikörper findet sich zu 30-60% mit einer Statin-Einnahme assoziiert oder unabhängig davon in 10% bei Tumoren.

Die Overlap-Myositis (OM) macht den größten Anteil unter den Myositiden aus und kann sich ebenfalls durch proximale Paresen und eine 10-50fache Erhöhung der CK äußern. Unter den OM findet sich das Anti-Synthetase-Syndrom (ASS) mit den klassischen Antikörpern Jo-1, PL-7, EJ, PL-12, KS und OJ am häufigsten und umfasst folgende Symptomatik: Interstitielle Lungenerkrankung (ILD), Myositis, Polyarthritis, „Mechaniker Hände“, Raynaud Phänomen. Des Weiteren kann die OM bzw. das Overlap Syndrom mit Myositis zusammen mit Mischkollagenosen diagnostiziert werden wie z.B. der Sklerodermie, dem Lupus (SLE) oder der Arthritis. In diesen Fällen können ggf. folgende Antikörper gefunden werden: Anti-SSA/Ro, Anti-SSB/La, Anti-U2RNP, Anti-U1RNP, Anti-PmScl, Anti-Ku, Anti-U3RNP.

Die Einschlusskörpermyositis tritt prädominant bei Männern ab dem 50. Lebensjahr auf und ist durch einen chronisch progredienten (fortschreitenden) Verlauf gekennzeichnet. Die Paresen und Atrophien können sowohl die Beine, als auch die Arme befallen und sich proximal und distal manifestieren. So berichten die Patienten z.B. von einer Kraftlosigkeit beim Tragen von Taschen, Öffnen von Flaschen oder von einem Wegknicken des Knies beim Gehen. Zwei von drei Betroffenen leiden an einer Dysphagie, welche auch das erste Symptom sein kann. Die CK ist oft nur 2-3fach erhöht. In 37-60% der Fälle kann ein Mup44/ CN1A- Antikörper nachgewiesen werden. In den Untersuchungen des Muskelgewebes findet sich ein Nebeneinander von Entzündung und degenerativen Eiweißbausteinen, wie sie auch bei der Alzheimererkrankung vorkommen.

Neue Myositiden> In den nächsten Jahren können weitere Patienten an Myositiden erkranken, die z.B. mit neuen Tumortherapien behandelt werden. Unter anderem wurde für die PD-1-Hemmer (programmed cell death inhibitoren) ein Auftreten von zum Teil schwer verlaufenden narkotisierenden Myopathien beschrieben.

Nach Vorstellung der verschiedenen Myositis Formen widmete sich Frau Dr. Zschüntzsch der Klinik und Differentialdiagnose> Myositiden können eine diagnostische Herausforderung darstellen, wenn z.B. nicht die typischen Hautsymptome bei der Dermatomyositis zusammen mit der Muskelschwäche auftreten. Daher empfiehlt es sich, nach einem diagnostischen Algorithmus vorzugehen. Dazu zählen die genaue Anamnese, die körperliche Untersuchung mit besonderem Augenmerk auf die Verteilung der Paresen, eine elektrophysiologische Untersuchung des Muskels, eine ausführliche Blutuntersuchung inkl. CK und Antikörperbestimmung. Zur Auswahl des geeigneten Biopsie-Ortes und der Bestimmung des Ausmaßes der Muskelbeteiligung ist eine Muskel-MRT-Bildgebung notwendig. Sollte eine Kontraindikation für das MRT vorliegen, kann der Patient als Alternative ein Ultraschall der Muskulatur erhalten. Die Muskelbiopsie dient insbesondere der Diagnosesicherung, dem Nachweis von entzündlichen oder wie im Fall der IBM von zusätzlichen degenerativer Veränderungen sowie zur Differenzierung anderer Muskelerkrankungen wie z.B. der Gliedergürteldystrohpie. Die Muskelbiopsie sollte immer an einem erfahrenen Zentrum stattfinden. Bei Verdacht auf eine DM und OM können auch eine Hautbiopsie sowie eine Kapillaroskopie erfolgen. Da bei bestimmten Myositis-Formen eine Herzbeteiligung in Erwägung gezogen muss, stehen dafür das EKG, der Herzultraschall und das Kardio-MRT zur Verfügung. Bei Beteiligung der Lunge werden Aufnahmen vom Thorax (Röntgen/CT) angefertigt sowie ein Lungenfunktionstest, Pulsoxymetrie, Blutgasanalyse und die Bronchoskopie durchgeführt.

Der typische diagnostische Ablauf sollte wie folgt aussehen > Der Patient sucht mit den entsprechenden Symptomen einen Arzt auf. Auf Grund dieser wird zuerst eine Labordiagnostik angeordnet. Dann erfolgt die oben beschriebene Muskeldiagnostik. Idealerweise werden insbesondere Patienten mit einer OM, NM und DM interdisziplinär durch mehrere Fachrichtungen wie Rheuma-, Dermatologie und Kardio- sowie Pulmologie betreut.

Im Anschluss referierte Frau Dr. Zschüntzsch über die Basistherapie aller Myositiden. Zu den Allgemeinmaßnahmen in der Therapie der Myositis gehören die Physiotherapie, Rehamaßnahmen, Hilfsmittelversorgung, Pflegegrad, Überprüfung anderer Organe. Außerhalb der akuten Phase empfiehlt sich bei allen Myositiden ein Widerstandstraining durchzuführen, was bis zu 10 Wiederholungen bei submaximaler Kraft an 5-6 verschiedenen Muskelgruppen an 3 Tagen der Woche vorsieht. Dadurch konnte eine Reduktion der Entzündung im Muskel nachgewiesen werden. Auch die eingeschränkte Ausdauer bei PM und DM konnte anhand eines 12 Wochen Trainings durch entsprechendes Ausdauertraining (1 Stunde, 3x pro Woche) verbessert werden. Ausdauertraining führt zu einer Reduktion der Immunantwort und Zunahme der mitochondrialen (Mitochondrien= Kraftwerke der Zelle) Biogenese.

Die medikamentöse Therapie gliedert sich auf in die Akut-, die Basis- und Eskalationstherapie. Akut können die Patienten mit einer hohen Kortisongabe behandelt werden. Bei der Basistherapie kommen zum Kortison Immunsuppressiva wie Azathioprin zum Einsatz. Ziel ist es, das Kortison langfristig aufgrund des Nebenwirkungsspektrums zu reduzieren. Häufig ist allerdings eine niedrige Erhaltungsdosis  von 5-10 mg notwendig. Alternativ oder add/on können intravenöse Immunglobuline eingesetzt werden. In der Eskalationstherapie kommen immunsuppressive Therapeutika wie z.B. Rituximab zum Einsatz. Bei der IBM kann gemäß Expertenmeinung ein Behandlungsversuch mit intravenösen Immunglobulinen über 6 Monate erfolgen. Nach dieser Zeit sollte der Therapieerfolg klinisch beurteilt werden, um über das weitere Vorgehen zu entscheiden. Zum Schluss wies Frau Dr. Zschüntzsch auf entsprechende Risikofaktoren für eine Myositis hin. Myositiden können durch Umweltfaktoren wie das Rauchen, Bakterien, Chemikalien, Drogen, Silikate, UV-Licht und vieles mehr ausgelöst werden. Die genetischen Faktoren sind noch nicht ausreichend geklärt. Die meisten Myositis-Patienten können feststellen, dass ihre Beschwerden saisonal auftreten und der eine weniger Beschweren im Winter hat, der andere dafür im Sommer.

Bericht: Silke Schlüter