Der Arbeitskreis Myositis der Universitätsmedizin Düsseldorf & die Myositis-Gruppe haben zu dieser Online-Veranstaltung am 16.08.2023 eingeladen. Dr. Lars Masanneck von dem Universitätsklinikum Düsseldorf berichtete zunächst über die Anfänge der Telemedizin und den Internisten und Lungenspezialist, Dr. Kenneth D. Bird, der eine Methode zur Untersuchung von Patienten mittels bidirektionalen, interaktiven Fernsehens entwickelt hat. Im Jahr 1968 gründete und leitete Dr. Bird das erste „Telemedizin“-System, das eine medizinische Station am Logan Airport in Boston mit Ärzten im Krankenhaus verband und somit eine Ferndiagnose, Behandlung und medizinische Bildübertragung ermöglicht wurde.
Dieses Telemedizinsystem war ein Vorläufer heutiger hybrider telemedizinischer Versorgungssysteme. Dr. Masanneck nutze dieses Beispiel, um auf das Thema des Vortrags einzugehen, denn Dr. Bird wollte mit seinen Entwicklungen Chancen für mehr Wirtschaftlichkeit und besseren Zugang bei der Anwendung von Ferntechnologien im Gesundheitswesen ermöglichen.

Was genau sind Digitale Gesundheitstechnologien?
Dr. Masanneck erklärte, dass man darunter Systeme versteht, die Computerplattformen, Konnektivität, Software und/oder Sensoren für die Gesundheitsfürsorge und verwandte Zwecke nutzen. Diese Technologien decken ein breites Spektrum von Anwendungen ab. Dazu gehören Anwendungen im Bereich des allgemeinen Wohlbefindens bis hin zu Anwendungen als medizinisches Gerät (wie z.B. ein Blutzuckermessgerät, dessen Sensor auf der Haut befestigt wird), aber auch Smartwatches, Apps etc.
Digitale Gesundheitstechnologien umfassen z.B. auch digitale Therapeutika. Das sind Gesundheits-softwares, die dazu eingesetzt wird, eine Krankheit, Störung, Zustand oder Verletzung zu behandeln, zu lindern, oder ihr vorzubeugen, indem sie als medizinische Intervention fungiert und so nachweislich einen positiven therapeutischen Einfluss auf die Gesundheit des Patienten hat. Durch häufige Messungen mittels digitaler Methoden sollen schnell und zuverlässig Änderungen des Gesundheitszustandes bemerkt werden, dabei Patienten können ihre persönlichen Empfindungen jederzeit und einfach in der Handhabung festhalten, die Datentiefe wird erhöht und eine hohe Objektivität kann bei entsprechender Validierung einen insgesamt deutlich verbesserten Überblick über den Zustand der Patienten liefern.

Bei der Entwicklung solcher Digitaler Gesundheitstechnologien und ihrem Einsatz in klinischen Studien müssen festgelegte Ziele vorab definiert werden: „Was soll gemessen werden“, „Was sind die richtigen Tools für diese Messung“, „Was wird gebraucht, um die Studie zu verbreiten und wie werden die Ergebnisse statistisch ausgewertet“.  Aktuell lässt sich klar erkennen, dass der Trend zu digitaler Medizin wächst.

Wie werden digitale Gesundheitstechnologien in der Neurologie eingesetzt oder können eingesetzt werden?
Dr. Masanneck stellte vor, dass zu einigen Krankheitsbildern wie Multiple Sklerose, Parkinson, Epilepsie und Alzheimer zahlreiche Studien unter Einbeziehung von digitalen Gesundheitstechnologien erfolgt sind. In den meisten Fällen werden die Symptome festgehalten und die Medikamenteneinnahme überwacht. Dabei zeigt sich in den letzten Jahren ein Trend zu ausgefeilteren technischen Lösungen in solchen Studien (https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36765123/).

Wie sieht Status Quo in der Digitalen Medizin bei Myositis aus?
Auf dem Gebiet der Myositis gibt es bisher kein koordiniertes Programm und keine größeren Studien. Es wurden Heim-Programm wie der „Zwei-Minuten-Geh-Test“ und „10-mal Arm-heben“ getestet, wobei sich der Geh-Test als ungeeignet gezeigt hat. Eine Pilotenstudie “Consumer-based activity trackers in evaluation of physical activity in myositis patients” https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34528065/ von Didem Saygin wurde mit 24 Betroffenen durchgeführt. Es hat sich gezeigt, dass das getestete Tool (Fitbit®) Potenzial für den Einsatz in der klinischen Praxis und in Studien zur Überwachung der körperlichen Aktivität bei Myositis-Patienten hat, für eine weitere Validierung jedoch größere Studien erforderlich sind.
Von der TMA (The Myositis Association) gibt es einen „My Myositis Tracker“ https://www.myositis.org/myositis-library/ (siehe PDF) der das Alltagserleben von Menschen mit Myositis festhält. Es können z.B. Informationen zur Schwäche, Handschrift, Rollstuhl-Nutzung und vieles mehr eingetragen werden und ggf. in Deutschland als Vorlage o.ä. genutzt werden könnte.

Für andere neuromuskuläre Erkrankungen existieren bereits digitale Messgeräte, dessen Erfahrungswerte ggf. für die Entwicklung von Messgeräten für Myositis genutzt werden könnten. Die PD Dr. Pawlitzki und Dr. Masanneck vom Universitätsklinikum Düsseldorf gehören der AG Digitale Translation an und planen u.a. den Einsatz digitaler Messmethoden auch bei Myositispatienten am Universitätsklinikum Düsseldorf.
Wearables: Diese Geräte, wie Smartwatches oder Fitness-Tracker, werden am Körper getragen und messen kontinuierlich Gesundheitsindikatoren wie Herzfrequenz, Schrittzahl oder Schlafqualität. Sie können helfen, frühzeitig Veränderungen im Gesundheitszustand zu erkennen und präventive Maßnahmen zu ergreifen.
DTx (Digitale Therapeutika): Software-basierte medizinische Interventionen zur Behandlung, Management oder Prävention von Krankheiten. Sie umfassen Apps oder Web-Plattformen, die auf klinischer Evidenz basieren und darauf abzielen, gesundheitliche Ergebnisse durch Verhaltensänderungen und aktive Patientenbeteiligung zu verbessern. Ein Beispiel könnte im Kontext der Myositis digitale Physiotherapie via App sein.
Digitale Selbstmanagement-Tools:
Symptomüberwachung, Medikationsmanagement und Lebensstilanpassung zur Verbesserung der Lebensqualität.
Telemedizinische Fachberatungen, bspw. via ‚Immunoboards‘:
Verbesserter Zugang zu Fachwissen für seltene Krankheiten wie Myositis.

PDF-> MyMyositisTracker

Bericht: Silke Schlüter