„Widerspruchsgestaltung bei Ablehnung von Anträgen  – (Reha, Schwerbehindertenausweis, Rente, Pflegegrade (welche Unterschiede gibt es, was wird bewertet etc.)“

Diesem komplexen Thema widmete sich Frau Christine Schmidt-Statzkowski, Pflegeberaterin und Pflegesachverständige (auch als Gerichtsgutachterin) aus Berlin und referierte in einem mitreißenden Vortrag über Leistungen der Pflegeversicherung nach dem Pflegestärkungsgesetz 2. Einzigartig und sehr praxisnah legte Frau Schmidt-Statzkowski die Tücken der Pflegeversicherung, deren Beantragung, Widerspruchsverfahren dar und gab Beispiele aus ihrer täglichen Arbeit.

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Zunächst wies sie darauf hin, dass man bei den verschiedensten Kontakten und Fragen Mut und Ausdauer bewahren muss und sich nicht verstecken braucht. Wichtig sei, dass man Anträge, egal ob Neuantrag oder Erhöhungsantrag selbständig bei der zuständigen Krankenkasse stellen sollte. Es sei nicht nötig, dass der behandelnde Arzt erst Hinweise geben sollte, um jegliche Verfahren einzuleiten.

Nach Beantragung muss die Krankenkasse innerhalb von 25 Arbeitstagen eine Begutachtung, vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK), beim Antragsteller durchgeführt haben. Falls dies nicht geschieht müssen die Krankenkassen bei Fristüberschreitung pro begonnene Woche 70,00 € zahlen.

Bei der Besichtigung durch den MDK ist es wichtig das man „Alltag“ walten lässt. Damit ist z.B. gemeint man solle nicht „picobello“ aufräumen. Es sollte eine möglichst realistische Alltagssituation vorgefunden werden. Es kann der Müll nicht geleert sein, das Leergut muss nicht entsorgt sein, Staub muss nicht gewischt sein usw. Des Weiteren ist die Anwesenheit eines Zeugen bei der Begutachtung ratsam, da dieser bei evtl. notwendigen Widersprüchen Aufklärung leisten kann.

Beim Widerspruchsverfahren besteht eine Frist von 4 Wochen den Widerspruch (zwingend) schriftlich einzureichen. Dafür genügt ein erster „Kurzwiderspruch“. Dieser ist in einfachster Form einem „Zweizeiler“ zu schreiben, in dem dargelegt wird, dass Widerspruch zu dem erhaltenen Bescheid (Eingangsdatum angeben) eingelegt wird und eine ausführliche Begründung folgt. So hat man etwas Zeit gewonnen, um mit seinem Arzt oder Pflegeberater den Widerspruch vernünftig zu begründen. Bei Anträgen und Widersprüchen ist immer wieder zu erwähnen, dass man „selbstbestimmt leben möchte“. Dieses wird durch das Gesetz gedeckt und hat enorme Aussagekraft.

Des Weiteren erklärte Frau Schmidt-Statzkowski anhand einer Broschüre der „Barmer“ die acht Module der Pflegeversicherung und das daraus resultierende Punktesystem.

Modul 1: Die Mobilität

Hierbei geht es um Mobilitätskriterien im Bett, beim Sitzen, Umsetzen, Fortbewegung im Wohnbereich und Treppensteigen. Je nach Beeinträchtigung können diese selbständig, überwiegend selbstständig, überwiegend unselbstständig oder unselbständig dargestellt werden. Hieraus resultieren dann die verschiedenen Punkte von 0-3. In der Summe kann man dann in einer Tabelle nachschlagen welche „gewichteten Punkte“ für den Pflegegrad in Frage kommen. Z.B. 4 erreichte Punkte = 5 gewichtete Punkte. Die Höchstpunktzahl beträgt 10.

Modul 2: Kognitive und kommunikative Fähigkeiten

In diesem Modul geht es z.B. um das Erkennen von Personen aus dem Umfeld, Orientierung, das Treffen von Alltagsentscheidungen, Beteiligung an Gesprächen usw. Auch diese Kriterien werden in 4 Kategorien eingeteilt und von 0-3 bewertet. Wichtig ist, dass die gewichteten Punkte aus dem Modul 2 und 3 vergeben werden. Ausschlaggebend ist dabei, in welchem Modul die größte Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten vorliegt.

Modul 3: Verhaltensweisen und psychische Problemlagen

Hier sind die Kriterien unter anderem, motorisch geprägte Verhaltensauffälligkeiten, nächtliche Unruhe, verbale Aggression, Ängste und einiges mehr. Ebenfalls wird eine Einteilung in 4 Kategorien vorgenommen, deren Punktezahl aber von 0-5 reicht. Nur das höhere Modul wird gewertet. Entweder Modul 2 oder Modul 3! 

Modul 4: Selbstversorgung

Körperpflege im Bereich des Kopfes, An- und Auskleiden, Essen, Trinken, Toilettengang sind neben einigen anderen die bewerteten Kriterien. Selbstständig bis zu unselbständige ist die Punkteeinteilung von 0-3. Zudem gibt es im 4. Modul noch das Extrakriterium „Versorgung mit Hilfe“ (Ernährung parenteral oder mit Sonde) von 0-6 Punkte. Bei der Addierung der Einzelpunkte von z.B. 17 Punkten gibt es 20 gewichtete Punkte.

Modul 5: Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen

Hier finden z.B. Medikation, körpernahe Hilfsmittel, Therapiemaßnahmen in häuslicher Umgebung und Arztbesuche Berücksichtigung. In diesem Modul wird die Häufigkeit der ggf. notwendigen Hilfen pro Tag ermittelt. Auf dieser Grundlage werden die Einzelpunkte festgelegt. Hierbei sind allerdings 5 Kategorien zu beachten, mit einer Unterteilung mit und ohne Hilfe. Punkte von 0-3. Z.B. 3 Punkte ergeben 10 gewichtete Punkte.

Modul 6: Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte

Ruhen und schlafen, sich beschäftigen und Interaktionen mit Personen im direkten Kontakt sind nur einige Kriterien in diesem Modul. In 4 Einteilungen werden 0-3 Punkte vergeben. Bei z.B. 18 Einzelpunkten gibt es 15 gewichtete Punkte.

Modul 7: Außerhäusliche Aktivitäten und Modul 8: Haushaltsführung; werden zwar erfragt, finden bei der Ermittlung des Pflegegrades keine Berücksichtigung.

Zum Abschluss kann die Gesamtzahl der gewichteten Punkte addiert werden und daraus resultierend den Pflegegrad ermittelt werden. Für die genauen Unterteilungen empfiehlt sich eine Broschüre der Krankenkasse, wie z.B. „Vom Punktwert zum Pflegegrad“ der „Barmer“.

Frau Schmidt-Statzkowski wies noch mal ausdrücklich darauf hin, dass es enorm wichtig ist die einzelnen, zu begutachtenden Punkte durchzugehen, um die für sich persönlich zutreffende höchste Punktzahl zu erreichen. Manchmal entscheidet zwischen einem höheren Pflegegrad nur ein gewichteter Punkt.

Für weitere Fragen oder Unterstützungen kann man sich gerne an „Premio“ Christine Schmidt- Statzkowski in Berlin (Großbeerenstraße 15, 10963 Berlin) wenden. www.premioberlin.de, 030/6932164

Ein sehr gelungener und kurzweiliger Vortrag fand sein Ende mit anerkennendem Applaus.

Bericht: Michael Jehne